Stellungnahme zur Anreizregulierung: Stadtwerke Sankt Augustin üben scharfe Kritik am WAR – Ideologische Ignoranz gefährdet Energiewende und kommunale Daseinsvorsorge

Stellungnahme zur Anreizregulierung: Stadtwerke Sankt Augustin üben scharfe Kritik am WAR – Ideologische Ignoranz gefährdet Energiewende und kommunale Daseinsvorsorge

Sankt Augustin. Die Stadtwerke Sankt Augustin weisen die jüngste Stellungnahme des Wissenschaftlichen Arbeitskreises für Regulierungsfragen (WAR) zur sogenannten NEST-Regulierung der Bundesnetzagentur mit schärfster Entschiedenheit zurück. Die Aussagen des Gremiums sind nach Ansicht der Stadtwerke unsachlich, akademisch realitätsfern und ideologisch motiviert – und stehen in eklatantem Widerspruch zur aktuellen Lage der kommunalen Netzbetreiber in Deutschland.

„Es ist ein gefährlicher Irrtum, die massiven Warnungen der Branche vor einem Investitionskollaps als übertrieben abzutun“, erklärt Marcus Lübken, Geschäftsführer der Stadtwerke Sankt Augustin GmbH. „Was hier als theoretisch ausgewogene Reform verkauft wird, entpuppt sich in der Realität als regulatorisches Großexperiment mit fatalen Konsequenzen für Versorgungssicherheit, Energiewende und kommunale Finanzen.“

Aktuelle VKU-Umfrage: 95 % der Verteilnetzbetreiber erwarten massive Schäden
Eine vom Verband kommunaler Unternehmen (VKU) veröffentlichte repräsentative Umfrage unter über 700 Verteilnetzbetreibern belegt den Ernst der Lage:

95 Prozent der Unternehmen erwarten negative oder sehr negative Auswirkungen der NEST-Regulierung auf ihre Geschäftstätigkeit.

88 Prozent rechnen mit Erlöseinbrüchen von mehr als fünf Prozent, mehr als die Hälfte sogar mit Rückgängen von 15 bis 30 Prozent.

69 Prozent planen Investitionskürzungen, 72 Prozent die Verschiebung geplanter Ausbaumaßnahmen.

11 Prozent sehen sich zu Entlassungen gezwungen, 57 Prozent müssen Ausschüttungen an ihre Kommunen reduzieren.

„Diese Zahlen sind ein Alarmsignal erster Ordnung – und lassen keinen Raum für die wissenschaftliche Verharmlosung, wie sie der WAR betreibt“, so Lübken. „Wenn Netzbetreiber ihre Ausbaupläne kürzen und Kommunen mit geringeren Einnahmen rechnen müssen, dann steht nicht nur die Energiewende, sondern auch die Daseinsvorsorge vor Ort auf dem Spiel.“

Wissenschaft ohne Bodenhaftung – und ohne Verantwortung
Die Stadtwerke kritisieren insbesondere die Haltung des WAR, die geplanten Eingriffe als „überfällig“ und „gut begründbar“ zu bezeichnen. Die völlige Ausblendung der kommunalen Realitäten, der Investitionserfordernisse und der gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen offenbart eine bedenkliche Entkopplung wissenschaftlicher Beratung von der praktischen Energieinfrastruktur.

„Die Argumentation des WAR ignoriert systematisch die dramatischen Effekte der Verkürzung des Effizienzpfads, der faktischen Streichung des OPEX-Faktors und der Abkehr von der Best-of-Four-Methode“, erläutert Lübken. „Was hier betrieben wird, ist keine Analyse, sondern Legitimationsbeschaffung für eine gefährliche Politik der Finanzverknappung.“

Energiepolitische Kurzsichtigkeit: Regulierungswut statt Infrastrukturpolitik
Die Bundesnetzagentur verfehlt mit ihrer NEST-Regulierung ihr selbst erklärtes Ziel: Anreize für effizienten und zukunftsfesten Netzausbau zu setzen. Stattdessen werden Fehlanreize gesetzt, Investitionen gebremst und kommunale Netzbetreiber strukturell benachteiligt – mit tiefgreifenden Folgen für die Wärmewende, den Ausbau von Ladeinfrastruktur und die Integration erneuerbarer Energien.

„Wer die Netze schrumpft, kann keine Wärmepumpen anschließen. Wer Einnahmen kürzt, gefährdet Investitionen. Wer kommunale Eigentümer schwächt, gefährdet Schulen, Schwimmbäder und Busverkehre“, warnt Lübken. „Diese Regulierung ist energiepolitisch widersinnig und volkswirtschaftlich töricht.“

Appell an die Politik: NEST-Regulierung stoppen, kommunale Netze stärken
Die Stadtwerke Sankt Augustin schließen sich dem dringenden Appell des VKU an, den Entwurf der NEST-Festlegungen grundlegend zu überarbeiten. Der Weg zu einem klimaneutralen Energiesystem darf nicht über das regulatorische Austrocknen kommunaler Netze führen, sondern muss auf Stabilität, Investitionssicherheit und faire Rahmenbedingungen setzen – für kleine wie große Netzbetreiber gleichermaßen.

„Statt einer kalten Strukturpolitik durch die Hintertür braucht es ein starkes Bekenntnis zur kommunalen Energiewende“, so Lübken. „Dazu gehört auch, dass wissenschaftliche Beratung wieder der Realität verpflichtet wird – nicht der ideologischen Wunschvorstellung von perfekten Märkten.“

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